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Lohnt es sich zu beten?

Von Stephan Krebs

© Medienhaus / C. Sommer

Wenn ein Kreuzworträtsel nach der „Anrufung Gottes“ fragt, dann lautet die richtige Antwort „Gebet“. Darum geht es im Gebet: Um Kontakt mit Gott – Gottkontakt also. Aber nicht nur mit Worten, wie es viele aus der Kirche kennen. Gottkontakt kann man auch singen und sogar laufen. Ja, Leute die gerne pilgern, begreifen ihren langen Marsch als Gebet mit den Füssen. Andere tanzen ihr Gebet. Andere riechen oder sehen ihr Gebet. Sie gehen durch den Wald, riechen die würzige Waldluft, sehen das frische Frühlingsgrün. Dabei denken, murmeln oder rufen sie: „Mein Gott, ist das schön!“ Das ist ein ziemlich kurzes Gebet. Aber noch nicht das kürzeste. Das kürzeste Gebet sprechen Leute meistens aus, wenn sie vor etwas erschrecken: „O Gott!“ Das stöhnen sie heraus. Dann verstummen sie meist, denn das, was sie gerade erleben, verschlägt ihnen erst einmal die Sprache.

Man kann natürlich einwenden: „Das ist doch gar kein Gebet. Das ist nur so ein allgemeiner Ausruf.“ Aber es ist kein Zufall, dass vielen Leuten Gott einfällt, wenn sie staunen oder erschrecken. Denn in diesem Moment erleben sie etwas, das über den Horizont ihres Alltags hinausgeht. Und genau darum geht es beim Kontakt mit Gott: Erkennen, dass das Leben mehr ist als das, was ich mit meinen fünf Sinnen erfassen kann. Dem Leben wohnt ein Geheimnis inne. Es ist eingebettet in einen größeren Zusammenhang. Dazu sagen Christen Gott. Was kann Gott? Ist Gott wirklich so allmächtig, wie es Christen behaupten? Dann müsste Gott doch alle Schicksale in seiner Hand haben. Wenn das stimmt: Wie komme ich dann an ihn heran? Lässt Gott mit sich reden? Klar: Man nennt es beten. Aber:

Beten bewirkt etwas - zumindest bei dem, der betet

Was bringt Beten? Verändert sich etwas, wenn ich bete? Die Frage drängt sich gerade jetzt auf, wo das Corona-Virus viele in Angst und Schrecken versetzt. Man hört immer wieder, dass Gebete erhört werden. Menschen, die scheinbar unheilbar krank waren, werden dadurch auf wundersame Weise wieder geheilt. Oder Menschen werden nach einem Gebet aus einer anderen scheinbar aussichtslosen Situation gerettet. Dabei stellt sich immer die Frage: War das nur ein Zufall oder kann ein Gebet wirklich etwas bewirken? Oder kann es gar den Lauf der Welt verändern?

Darauf kann man eine naturwissenschaftliche Antwort geben: Beim Beten werden bestimmte Bereiche des Hirns besonders stimuliert. Das wirkt sich auf die meine Gefühle aus, auf meine Energie und mein Denken. Beten bewirkt also etwas zumindest bei dem, der betet.

Es gibt auch eine psychologische Antwort: Im Gebet mache ich mir meine Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen bewusst. Danach kann ich sie gezielter versuchen umzusetzen.

Man kann das Gebet auch mystisch verstehen. Im Gebet wandle ich meine Sehnsucht und meine Hoffnung in Energie um und bringe sie in die Welt ein. Dort verbindet sie sich mit den anderen Energien, die die Welt durchziehen. So wird sie zu einem Teil des großen Ganzen und verändert die Welt – zumindest ein bisschen.

Jesus macht Mut an die Macht des Gebets zu glauben

In all dem kann Gott wirken. Oder auch ganz anders. Wie Gott Gebete wahrnimmt, weiß niemand. Menschen können es nur ahnen, hoffen und vielleicht spüren. Mehr nicht. Ist das genug? Oder zu wenig? Jesus macht durchaus Mut an die Macht des Gebets zu glauben. Er sagt: Bittet, so wird euch gegeben. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ (Matthäus 7,7-11) Aber Jesus macht auch deutlich: Gott lässt sich zu nichts zwingen. Gottkontakt ist kein Kundenkontakt. Insofern ist die Frage, ob sich Beten lohnt, falsch gestellt. Mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung lässt sich ein Gebet nicht erfassen. Es begründet schließlich kein Dienstleistungsverhältnis.

Das wird im Vater Unser deutlich. Dieses zentrale Gebet der Christenheit enthält allerlei Bitten zur Verbesserung der Menschen und der Welt. Doch dieser Katalog der Wünsche mündet nicht in den Satz „So, lieber Gott, jetzt mach dich mal flott an die Arbeit!“ Auch nicht mit der Business-Ansage: „Bitte liefern Sie innerhalb von 14 Tagen.“ Die Bitten des Vater Unsers münden vielmehr in den Satz: „Dein Wille geschehe.“ Gott ist eben kein Dienstleister. Gott ist Gott.

Es wäre auch nicht angemessen, Gott zum Erfüllungsgehilfen der eigenen Wünsche machen zu wollen. Das ginge nicht selten zulasten anderer. Nur ein Beispiel: Kann man als Fußballfan das eigene Team zur Meisterschaft beten? Das wollen die Fans der Gegner ja auch. Dann wäre der Fußballplatz eine Gebets-Battle. Keine gute Idee. Verboten ist das natürlich nicht. Man kann Gott alles sagen. Aber man weiß nicht, was Gott daraus macht. Und das ist oft auch gut so.

Musikgruppe BAP beschreibt in ihrem Song „Wenn et Bedde sich lohne däät“

Die Kölner Musikgruppe BAP beschreibt in ihrem Song „Wenn et Bedde sich lohne däät“ (Wenn sich das Beten lohnen würde) in der dritten Strophe, wie sinnlos das Beten ist. Dabei fällt unverhofft diese Zeile: „Gott, wäre beten doch bloß nicht so sinnlos!“ Dieser Satz ist großartig. Damit betet die Gruppe BAP zu Gott, dass das Beten so sinnlos ist. Genau so paradox empfinden es viele Menschen. Sie können nicht glauben, dass es einen Gott gibt und dass man mit ihm Kontakt aufnehmen kann. Zugleich sehnen sie sich danach und tun es: Wenn es brenzlig wird im Leben. Wenn man nicht mehr weiterweiß. Auch wenn etwas besonders schön ist. Oder wenn man besonders dankbar ist. Das alles möchte aus einem raus und irgendwohin - Gottkontakt dringend gesucht. Wozu?

Wer Kontakt zu Gott aufnimmt, wer also betet, legt sich und die Welt in Gottes Hand. Mehr ist es nicht. Aber vielleicht liegt darin die größte Wirkung eines Gebets: Sich und die Welt in Gottes Obhut zu wissen. Das entlastet. Das macht Hoffnung. Daraus ergibt sich auch allerhand zu tun. Gott braucht Helferinnen und Helfer für seine Pläne für die Welt. Insofern: Beten verändert die Welt.

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