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Ich breite meine Hände aus…

Beten mit Gebärden

Von Matthias Schwarz aus Impuls Gemeinde 2/2007: Beten

Manchmal, wenn ich abends beten will, fehlen mir die Worte. Dann sitze ich da, die Hände verschränkt, die Stirn in Falten gelegt, innerlich stammelnd. Ich bin nicht fähig, in diesem Moment, das, was mich bewegt, mit Worten auszudrücken. Vielleicht, weil etwas an diesem Tag mich besonders glücklich gemacht hat oder traurig, vielleicht, weil der Tag grau und öde war oder so gefüllt, dass meine Gedanken nur so brausen. Dann nehme ich Zuflucht zu einer kleinen Übung, die ich vor vielen Jahren kennen gelernt habe. Es ist eine Übung mit verschiedenen Gebetshaltungen, Gebetsgebärden.

Sechs verschiedene Haltungen sind miteinander verbunden zu einer kleinen Folge. Ich gebe mich hinein in diese Übung mit all meinen Gedanken, all meiner Sprachlosigkeit, all dem, was mich beschäftigt. Ich spüre den Haltungen nach, spüre hin, wie die äußere Haltung der Gebärde mit dem, was in mir ist, in Beziehung tritt. Manchmal – nicht immer – merke ich, wie in einer Haltung zum Ausdruck kommt, was mich beschäftigt. Ich verweile dann in dieser Haltung, bringe mich so vor Gott, bringe mich so Gott dar.

Und so, wie ich mich durch die Haltung, die Gebärde ausdrücke, wie sie widerspiegelt, was in mir vorgeht, so gibt es auch das Umgekehrte. Eine Gebetshaltung, eine Gebetsgebärde macht einen „Eindruck“ auf mich. Die Haltung, die ich einnehme, weckt Erinnerungen, Gefühle. Ich empfinde sie da als anspannend und dort als entspannend, sie bewirkt etwas an mir und in mir. Indem ich mir Zeit nehme, mich von der Haltung, der Gebärde beeindrucken zu lassen, kann ich hinspüren zu dem, was da mit mir geschieht. Dann finde ich Worte, die dem Geschehenen Ausdruck verleihen, aus meinem Leib, aus meiner Haltung heraus entsteht ein Gebet mit Worten. Die Haltung, die ich einnehme, die Gebärde, die ich vollziehe, hat also immer beides: sie ist eine Möglichkeit zum Ausdruck und sie weckt einen Eindruck. So ist diese Übung mit verschiedenen Gebetshaltungen mir im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen, in „Fleisch und Blut“ übergegangen. Sie begleitet mich, denn in ihrer Schlichtheit ist sie mir vertraut geworden und von ihren Voraussetzungen her ist sie so einfach, dass sie für viele Menschen nachvollziehbar ist.

Sie verbindet sechs Haltungen miteinander. Jeweils zwei Haltungen bilden dabei ein Paar, das vielleicht einen Gegensatz, vielleicht auch eine Ergänzung ausdrückt. Es ist sinnvoll, jeder Haltung Raum zu geben, ihr nach zu spüren, damit ich entdecken kann, was sie in mir auslöst, ob sie mir heute eher angenehm oder unangenehm ist. Es geht dabei nicht um Exaktheit der Bewegung, sondern, sobald die Folge der Bewegungen mir vertraut ist, kann ich die einzelnen Haltungen so ausführen, wie das meinen Möglichkeiten, den körperlichen und den seelischen, entspricht. Vielleicht gibt es ein Gebetswort, das ich mit hinein nehme und dem ich in den verschiedenen Haltungen nachspüre, vielleicht entsteht auch ein Wort des Gebetes in mir während der Übung, vielleicht verharre ich in einer Haltung, weil diese mir heute in besonderer Weise entspricht. Die kleine Übung lädt ein, Möglichkeiten zu entdecken.

1. Ausgangshaltung

Die Füße stehen gut auf dem Boden, die Fuß- und Beingelenke sind weich, der Rücken aufgerichtet. Der Kopf ist ein bisschen geneigt, so dass der Blick leicht nach unten geht. Die Hände liegen auf der Leibesmitte übereinander.

2. Öffnen

Die Hände öffnen sich, die Arme öffnen sich zur Seite, die Handflächen zeigen nach oben: „empfangen, weit werden“.

3. Schließen

Die Arme und Hände sinken, die Finger zeigen zum Boden hin, die Handinnenflächen legen sich vor der Leibesmitte aufeinander, die Ellbogen sind leicht angewinkelt: „zu mir kommen, gefasst sein“.

4. Nach oben

Die Hände öffnen sich, so dass die Arme parallel zum Körper nach oben geführt werden können, bis über den Kopf (die Ellbogen müssen nicht gestreckt sein). Die Handinnenflächen zeigen zueinander und nähern sich an, bis sie sich fast berühren: „himmelwärts, ausgestreckt sein.“

5. Nach unten

Die Handinnenflächen legen sich aufeinander, die Hände sinken dann vor dem Körper nach unten bis zum Bereich des Herzens: „zu mir kommen, da sein“.

6. Ausstrecken

Die Hände öffnen sich, die Handinnenflächen zeigen nach oben und bleiben nebeneinander, die Arme ausstrecken: „darreichen, geben“.

7. Zu mir nehmen


Die Hände werden zurückgeführt und legen sich auf der Leibesmitte übereinander, so dass die Ausgangsstellung wieder eingenommen wird: „zu mir kommen, empfangen haben“.

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